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Die Anziehungskraft Kölns

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mit O-Tönen von Gerd Köster – VON ANDREAS BASTIAN – Was läuft in Köln eigentlich rund, wenn ich mal so fragen darf? Das Drehkreuz Westeuropas gestern wie heute. Im Umkreis von 70 Kilometern leben rund fünf Millionen Menschen. Zwar knapp eine Million weniger als in London, aber immerhin hat die Natur dafür einiges mehr zu bieten. Foto©Heike Skamper

Von der Dimension Londons ausgehend, wäre Kreuz Köln-Nord in Düsseldorf, Kreuz Süd in Bad Godesberg. Im Wsten Düren und im Osten Gummersbach. Der zweite Autobahnring rund um Köln wurde nie gebaut. Daran erinnert bestenfalls noch das traditionelle Radrennen. Wie so einiges andere, was weise Wirtschaftsforscher in der Stadtplanung der 50-er Jahre vorgesehen hatten. Um den Verkehr in Köln heute fließen zu lassen, wird vieles zurückgebaut und entschleunigt. Von sechs Ausfahrtsstraßen wurden vier einspurig. Und so wie sich der Verkehr morgens hineinpresst, quält er sich abends wieder hinaus.

Jahrhundertbaustellen sind in Köln eher Regel als Ausnahme. So wird seit ewiger Zeit die Zubringerbrücke Deutz zur Severinsbrücke instand gesetzt. Die Durchfahrt nach Kalk somit unterbunden. Also quälen sich noch mehr über die Zoobrücke um die östlichen Stadtteile zu erreichen. Seit 18 Jahren werden die 35 Kilometer Autobahn zwischen Köln-West und Kreuz Aachen nun auf sechs Streifen erweitert. Für Köln braucht man einen langen Atem.

Gewachsen in den vergangen 18 Jahren sind vor allem die Randgebiete rund um Köln. Immer größer werden die ehemals kleinen Orte mit den vielen landwirtschaftlichen Flächen. Viele Kölner ziehen dort hin, weil sie sich entsprechende Wohn- und Lebensqualität in Köln nicht mehr leisten können. Unter der Ära Schramma wurde so einiges beschlossen, die Früchte ernten wir heute noch. Unter der Ära Rot-Grün wirkt alles etwas humaner. Aber jede Altbausanierung, staatlich gefördert und mit ÖkoProfits zugepflastert, macht aus ehemals bezahlbarem Wohnraum lukrative Eigentumsobjekte in der 500.000 EUR Kategorie.

Die Käufer der Immobilie wirken dann im gelebten Veedel oft wie Außerirdische – Wohlstand und Veedel?

Köln ist eine bürgerliche Stadt. Prachtstraßen findet man in Köln nicht. Wenn es nach den Visionen der Radfahrlobby ginge, sollte auch die Innenstadt mit breiten Fahrradautobahnen versehen werden. Was dabei leider oft ernüchtert, ist die Enge der mittelalterlichen Straßen der Millionen-Metropole. Überhaupt schwirren in manchen Köpfen urbane Ideen, die zwar nachvollziehbar aber nicht umsetzbar sind. Es gilt immer die These, von denen, die aktuell am meisten zu sagen haben.

logo-mitternachtsspitzen100_v-WDRBannerteaserDer Kölsche verlässt ungern sein Veedel, die zugezogenen Immis müssen jedoch erstmal die Sitten und Gebräuche dieser Stadt kennenlernen und verlassen das Veedel dann doch schon mal öfters. Erfindungen wie der veedelseigene Parkausweis sind dann wirklich ein Hindernis. Wer in der Südstadt wohnt und Leute in Sülz besuchen möchte, der darf dann schon mal bis zu acht Euro für den Besuch berappen. Oder mit allen Geschenken für einen kleinen Kindergeburtstag, nebst drei Pänz, die KVB benutzen.

Was nicht nur den Kölschen dabei wundert ist, dass manche Veedel von der Ticketpflicht ausgeschlossen sind. Ein Reizthema – denn da wo der Wohlstand ist, gibt es keine Parkscheinautomaten.

Irgendwann war das Ticket mal erfunden worden, um Fremde zur Kasse zu bitten. Und so hat man sich anscheinend damit abgefunden, dass Besuche, bei denen man auf ein Auto angewiesen ist, sündhaft teuer werden. In anderen Städten bedeutet das Stadt-Kennzeichen auf dem Fahrzeug = Anwohner. Alle „Aussies“ müssen bezahlen. Aber in Köln ist es ein schelmischen Aderlass  – man bittet beide zur Kasse.

Escht Kabarett – De Frau Kühne

Mit höchsten Tönen spricht man über die Stadt, der Medienhauptstadt, dem Wirtschaftsfaktor Köln. Über die Menschen, die hier leben, erfährt man weniger, wenn man von Außen in die Stadt hineingucken will. Der Tourismusverkehr bewegt sich von je her innerhalb der Kanalstraße. Bis dahin ist auch alles locker zu Fuß zu erreichen – aber sind da die typischen Veedel, über die man spricht?

Im Stadtzentrum kommt es auch bestimmt mal vor, dass in einer Kneipe nur Touristen sitzen, und alle freuen sich über die lockere kölsche Lebensart, gestärkt mit dem gelb-goldenen Amnesietrank. Vielleicht sind die Gäste der Stadt viel kölscher als die Einwohner selbst?

schirmherr-becker_escht-kabarettDas Veedel, völlig ohne Schnick und Schnack, mit sozialen Kompetenzen, mit gelebter Urbanität ohne es ständig feiern zu müssen. – So sind die Kölner beschrieben, die in den vielen romantischen Liedern der Kölschen Mundart verewigt sind.

So ist ein Kölner mit dem Latino-Effekt ausgestattet: Leicht erregbar, aber schicksalsergeben. Der Kölsche fährt gerne aus der Haut und beruhigt sich ganz schnell wieder. Er lässt gerne „fünef“ mal gerade sein und er braucht seine Rituale. Die Bäckerin begrüßt Herren jeden Alters mit: „Junger Mann“, was kann da schon schief gehen. Wer in Köln geboren ist, weiß sich in anderen Kulturen zu behaupten, der Kölsche fällt auf! Der Kölner ist gewiss lernfähig, aber im Herzen fehlen ihm in der Fremde seine gepflegten Gewohnheiten, wie der Blick auf seinem Dom.

Mythen ranken sich um die Anziehungskraft Kölns, die Stadt stand vor 70 Jahren sprichwörtlich in Schutt und Asche, vom Neumarkt aus gab es freie Sicht auf den Rhein. Als der Kölsche jedoch hörte, dass der Dom immer noch steht, kam er zurück und baute die Stadt in kürzester Zeit wieder auf.

Was den Ur-Kölner auszeichnet ist, dass sein Herz auf der richtigen Seite schlägt, das er herzlich denkt als kopfgesteuert.

loWer den Veedelsstimmen lauschen möchte, der kommt am Escht Kabarett in Köln nicht vorbei. Hier meldet sich das kölsche Gemüt zu Wort, das überall in Köln Gültigkeit hat. Vielen Dank an Gerd Köster zu seinen Kommentaren, weshalb Köln anziehend ist.

Seconds: Es gibt 1.000 Gründe Köln zu verlassen, nenne uns einen Grund, wieso wir hier bleiben sollen?

Ihr könnt ruhig abhauen, dann brauch ich hier keine 1000 Fragen zu beantworten. Nä, Quatsch, bleibt hier, woanders gibt es 1001 Gründe abzuhauen.

Seconds: Du hast ja immer in Köln gelebt. Hast Du Heimatgefühle und das Köln Jeföhl?

Wenn man von Kind an kölsch flucht und lacht, dann bleibt das wohl nicht ganz aus. Bedauere das keineswegs, bin da aber auch nich stolz drauf, is halt so.

Seconds: Wenn man den provinziellen Mief Kölns mal wegdenkt, kommt uns spontan der Spruch: „Lääve un Lääve losse“ in den Kopf. Ist das unser Cést la vie?

Wieso die Leute immer gerne wieder zurückkommen? Sieht wohl so aus. Selbst Leute, die sich insgeheim für mindestens New Yorker halten, „lääven“ hier noch insgeheimer eigentlich ganz gerne.

Seconds: Man nennt Dich gerne „Milleu Poet“.Du wohnst in der Südstadt. Spielst du manchmal mit dem Gedanken, vielleicht doch mal woanders zu wohnen? Oder geht das nicht, weil du Themen auf deiner Straße findest?

Wer nennt mich „Milleu Poet“? Und von welchem „Milleu“ reden wir hier ?

Seconds: Manche O-Töne, zum Beispiel von Konrad Beikircher behaupten, Gerd Köster und Franky Hocker seien diejenigen, die Auswärtigen erklären können wie ein Kölner tickt. Wie tickt denn der Kölner?

Herr Beikircher irrt. Erklären können wir das nicht. Wir können nur beobachten und unsere Wahrnehmungen verticken.

Seconds: Frank und Du sind durch Dick und Dünn gegangen. Quasi als Ying und Yang?

Eher durch Dick und Doof. Quasi als Yin und Kumm Yangk.

Seconds:Und was zieht Euch heute noch an? Kölsche Freundschaft?

Mitleid.

Das sind doch Kölsche Perspektiven wie wir sie lieben – Vielen Dank Gerd für deine Worte.

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