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Mitten in Köln

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Kölns kaiserlicher Kronleuchter – Die „gute Stube“ der Kölner Kanalisation
Von Pia Berger-Bügel – Da hängt er, der kaiserliche Kronleuchter. Er ist der König der Kölner Unterwelt und kennt die Wege der Kölner Abwässer wie seine Westentasche. Stefan Schmitz (50) ist als Betriebsleiter der Stadtentwässerungsbetriebe (Steb) mit seinen 100 Mitarbeitern für die Technik, den Betrieb und die Reinigung der 2.400 Kilometer Kanalnetz zuständig, die unter der Stadt und 30 Meter unter dem Rheinbett verlaufen und für Ordnung sorgen.

Gemeinsam mit Stefan Schmitz besichtigen wir die „gute Stube“ der Kölner Kanalisation, den Kronleuchtersaal. Die Reise beginnt Ecke Theodor-Heuss-Ring/Clever Straße, an der nur eine große, grün lackierte Metallplatte und ein kleines Häuschen, in dem Technik untergebracht ist, zu sehen sind. Unter der Metallabdeckung verbirgt sich eine Treppe. Einige Stufen führen in die geklinkerte Unterwelt hinab. Ein ganz spezieller Geruch dringt in die Nase, den man so schnell auch nicht wieder loswird. Unten angekommen, steht man direkt im Kronleuchtersaal. Eine riesige, geklinkerte Abwasserröhre von rund fünf Metern Durchmessern, die auch noch in Betrieb ist. Da es kurz zuvor einen Platzregen gegeben hat, kann man regelrecht zusehen, wie der Wasserspiegel im Kanal ansteigt. Der Kronleuchtersaal liegt zum Glück ein bisschen erhöht und Stefan Schmitz hat Zeit zu erzählen, dass einer der Kanäle, der vom Kronleuchtersaal abgeht, nach 350 Metern auf der Höhe der Bastei in den Rhein fließt. Das ist allerdings nur ein Hochwasserüberlauf. Der Hauptkanal, der sich langsam, aber stetig während der Führung füllt, führt in die Kläranlage im rechtsrheinischen Stammheim, wo rund 84 Prozent der Wassermassen der Millionenstadt gereinigt werden.

Als der Kanal 1890 fertiggestellt wurde, wollten die stolzen Stadtherren Kaiser Wilhelm II. anlässlich eines Besuchs in Köln ihre neue Kanalisation präsentieren – immerhin handelte es sich um eines der modernsten und ambitioniertesten städtebaulichen Projekte jener Zeit. Um das Ambiente ein bisschen kaiserlicher zu gestalten, ließ man in dem Raum zwei mit Kerzen bestückte Kronleuchter aufhängen, die dem Saal seinen Namen geben. In den 1980er-Jahren wurden die durch die hohe Luftfeuchtigkeit verrotteten Leuchter durch originalgetreue elektrische Replikate ersetzt. Auf einer Tafel an der Wand des Saals sind die Namen der Akteure für den Kaiser und die Ewigkeit festgehalten.

 

Neben den regelmäßigen Führungen durch den seit 2004 unter Denkmalschutz stehenden Kronleuchtersaal finden hier – aufgrund der außergewöhnlichen Akustik – im Sommer Konzerte statt, die allerdings schnell ausverkauft sind.

 

Kronleuchtersaal03
© Superbass

Sefan Schmitz ist seit Anfang der 1990er-Jahre für das Abwassersystem zuständig und kann zahlreiche Geschichten rund um die Kölner Kanäle erzählen. Die erste Kölner Kanalisation wurde von den Römern errichtet. Um 55 v. Chr. hatte Caesar als Statthalter Galliens große Gebiete in ganz Europa erobert. Seine Statthalter ließen sich in Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA) häuslich nieder, wie die archäologischen Funde auf nahezu jeder Baustelle in Köln beweisen. Als für die schnell wachsende Kolonie das Wasser aus den umliegenden Bächen qualitativ und quantitativ nicht mehr ausreichte, begannen die Römer, eine Frischwasserleitung aus der Eifel nach Köln zu legen. Sie ist eines der längsten Aquädukte aus der Römerzeit und ein gewaltiges Bauprojekt aus der Zeit um 80 n. Chr., das auf knapp 100 Kilometern Länge täglich rund 20.000 Kubikmeter Wasser in die große Stadt am Rhein transportierte.

Auch Hygiene war ein wichtiges Thema für die Südländer. Die römischen Besatzer hatten die Notwendigkeit erkannt, in schnell wachsenden Ballungsräumen Abfälle und Abwässer zu entsorgen. So entstand schon zur Römerzeit ein umfangreiches Kanalnetz, das die Abwässer systematisch in Richtung Rhein entsorgte. Bei Ausschachtungsarbeiten für den Spanischen Bau neben dem Historischen Rathaus wurden 1953 die Überreste einer herrschaftlichen römischen Villa, des Praetoriums, in dem der Statthalter Roms residierte, entdeckt. Die Überreste des römischen Prachtbaus sind heute im Untergeschoss des Spanischen Baus zu besichtigen. Dort findet sich auch ein Teil des römischen Kanalsystems, der Cloaca Maxima. Ein 150 Meter langes Teilstück ist vom Spanischen Bau aus begehbar und demonstriert auf imponierende Art die besondere Baukunst der Römer. Überirdisch sind Reste dieses Systems auf der Ecke Kleine Budengasse/Unter Goldschmied zu besichtigen.

Foto©Berger-Bügel
Foto©Berger-Bügel

Im Mittelalter geriet die Cloaca Maxima in Vergessenheit – die Kanäle wurden mit Abfällen zugeschüttet. Erst in der Neuzeit wurden die Arbeiten zu einem neuen Kanalsystem wieder aufgenommen. Der Bau der moderne Stadtentwässerung begann Ende des 19. Jahrhunderts. Heute sind rund 130.000 Grundstücke an die Kölner Mischkanalisation, in der Abwasser und Regenwasser gemischt zum Klärwerk transportiert werden, angeschlossen. Von den 2.400 Kilometern Kanalisation sind 543 Kilometer begehbar, 92.000 Straßenabläufe und 58.000 Kanalschächte sorgen dafür, dass wir trockenen Fußes unser Ziel erreichen.

 

Stefan Schmitz kann als Herr der Kölner Kanäle auch wundersame Dinge tun. Normalerweise erstrahlt das neue Pumpwerk an der Schönhauser Straße in verschiedenen Farben, um den Pegelstand des Rheins zu verkünden. „Wir können es auch in Rot und Weiß leuchten lassen, wenn der FC mal Meister wird“, schmunzelt der sympathische Kanalmeister.

 

Führungen
Im März und von Mai bis September kann man den Kronleuchtersaal jeweils am letzten Samstag im Monat zwischen 14 Uhr und 16 Uhr kostenlos besichtigen. Anmeldungen zu den Führungen und Informationen zu den Konzerten im Kronleuchtersaal unter ralf.broecker@steb-koeln.de.

Weitere Informationen unter:
www.steb-koeln.de

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