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Haben oder sein – Kunst gegen Bares

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Seit XY Jahren organisiert Gerd Buurman die Kleinkunst-Reihe „Kunst gegen Bares“.
Seconds erklärt er das Erfolgsrezept

Christopher Dröge

Seconds: Wie funktioniert „Kunst gegen Bares“ und worum geht es dabei?
Gerd Buurman: Wir versuchen, dem Publikum wieder klar zu machen, was Kunst eigentlich wert ist. Und zwar, indem wir es in die Chef-Position versetzen. Das heißt, dass die Leute erst nach der Vorstellung zahlen, und zwar nach Wohlwollen: Jeder zahlt dem jeweiligen Künstler das, was ihm sein Auftritt wert war. Jeder Künstler hat ein Sparschwein und je nach Gefallen wirft man eben einen Euro, fünf oder zehn Euro hinein. Alle Künstler werden also ohne Zwischenhändler direkt vom Publikum bezahlt. Das Schöne an „Kunst gegen Bares“ ist auch: Es war eine Schnapsidee, die inzwischen in über 25 Städten kopiert wird, etwa in Hamburg, Berlin, Mannheim oder auch Lübeck.

Was verdienen die Künstler dabei durchschnittlich?
Das ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Es ist vor allem davon abhängig, wie sehr ein Ort schon mit Kunst und Kultur gesegnet ist. Ein gutes Beispiel ist Breitenbach: Da ist jeder Künstler mit einer dreistelligen Summe nachhause gegangen. Weil in Breitenbach kulturell einfach nicht so viel passiert, sind die Leute viel dankbarer. Mit am geizigsten sind die Leute übrigens in Köln, weil Köln einfach übersättigt ist mit Kultur.

Welche Künstler treten bei „Kunst gegen Bares“ auf?
Natürlich viele Anfänger, es kommen aber auch etablierte Künstler – einfach, weil das Publikum eine völlig andere Einstellung mitbringt. Weil es eben nicht denkt: Das ist subventioniertes Theater, das ist schon alles bezahlt und eigentlich ist es völlig egal, ob ich hier sitze. Stattdessen merken die Leute: Hey, die machen das für mich, ich bin Chef. Das Publikum ist deshalb viel wohlwollender und zugewandter. Das schätzen viele Künstler.

Aus welchen Sparten kommen die Künstler?
Von Schauspielern über Kabarettisten, Comedians, Slam-Poeten und Musikern bis hin zu Stepptänzern. Eben alles, was sich auf einer Bühne innerhalb von acht Minuten präsentieren lässt. Das geht ganz nach dem alten Prinzip von Kermit dem Frosch: Nimm was du hast und flieg damit!

Und wer sitzt im Publikum?
Auch das ist ortsabhängig, sogar veedelabhängig. Als wir in der Südstadt waren, war das Publikum deutlich reifer. Im Partyviertel Ehrenfeld sind zwar auch alle Altersstufen vertreten, aber die Jugend hat eindeutig Übergewicht. In Breitenbach hingegen lag das Alter deutlich bei 40 plus. Im Hamburger Schanzenviertel ist es komplett alternativ. In Lübeck oder in Heidelberg ist es wieder ganz anders. Daran lässt sich auch schön beobachten, was Räumlichkeit ausmacht.

Was bringt das Publikum für eine Erwartungshaltung mit?
Einfach die Lust, sich auf etwas Unbekanntes einzulassen, das macht es spannend. Wenn man mit einer Erwartungshaltung an etwas heran geht, wird man schnell enttäuscht. Bei Kunst gegen Bares erwartet das Publikum rein gar nichts, außer im besten Sinne des Wortes unterhalten zu werden. Das heißt nicht, dass die Narrentrompete geblasen werden muss, weil wir eben nicht mit Applaus honorieren, so wie viele andere Formate. Und wer bekommt den meisten Applaus? Der mit der Narrenkappe. Bei Kunst gegen Bares kann man tieftraurige, hochernste oder auch politische Stücke vorführen, nach denen das Publikum zu berührt ist, um zu applaudieren – aber am Ende fließt das Geld.

Was macht gute Unterhaltung aus?
Der Künstler muss sich klar machen, dass ervom Publikum etwas geschenkt bekommt, sobald er auf die Bühne kommt, nämlich Schweigen. Deswegen sollte er wirklich etwas präsentieren, was das Schweigen rechtfertig. Wenn dieser Respekt vor dem Schweigen nicht da ist, dann geh auch nicht auf die Bühne. Gute Unterhaltung ist alles, was das Schweigen des Publikums rechtfertigt.

Spielt das Live-Erlebnis auch eine Rolle?
Ja, klar. Es ist natürlich faszinierend zu merken, dass der Künstler auch mich hören kann. Meine Reaktionen werden vom Künstler aufgenommen, das hat wiederum einen Einfluss auf seine Performance. Und natürlich geht es auch darum, dass etwas schief gehen könnte und wie jemand in einem solchen Fall damit umgeht. In allen anderen Medien kann man Fehler herausschneiden, aber im Theater musst du aus dem Fehler etwas machen.

Welchen Künstlern gelingt es am ehesten, dieses Bedürfnis des Publikums zu befriedigen?
Die Leute sympathisieren eigentlich immer mit denjenigen, von denen die Leute annehmen: Das ist einer von uns. Ein schönes Beispiel hatten wir hier in Köln, während der WM: Um 22 Uhr spielte Deutschland, das Spiel lief noch und es waren gerade mal 50 Gäste und ein Künstler da. Der Abend ging trotzdem zwei Stunden lang, denn nach und nach fiel jedem ein, dass er ja auch etwas konnte. Da trug der eine ein Gedicht aus der Jugend vor, eine Schauspielerin hatte einen Monolog im Kopf, ein anderer hatte eine Gitarre dabei. Am Ende gab es das erste Mal für den gesamten Abend stehenden Applaus und das, obwohl das Theater nur zu einem Drittel gefüllt war. Diese Spontanität, das ist das Erlebnis, nach dem es das Publikum dürstet.

Kunst gegen Bares – Köln
jeden Montag um 20 Uhr
im ARTheater, Ehrenfeldgürtel 127 in Köln

Foto: Andreas Dibbern

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