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Ein kölscher Kilt-Maker

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Maßarbeit für maskuline Wickelröcke – Von Andrea Neuhoff – Männer, die Röcke tragen? Eigentlich kennt man das hierzulande nur aus Filmen mit handfesten Kerlen. Und die spielen, wen wundert’s, meistens in Schottland. In Köln gibt es nun einen Schneider, der mit den überholten Klischees aufräumt: Carlo Jösch.

Echte Männer weinen nicht, und sie tragen keinen Rock. „Das stimmt nicht“, widerspricht Carlo Jösch. „Okay, mit einem Rock würde ich nie auf die Straße gehen“, gibt der gelernte Schneider zu, „aber Männer im Kilt sehen einfach gut aus.“ Als Schottlandfan weiß er, dass der Kilt offiziell kein Rock ist, auch wenn die Deutschen das traditionelle Kleidungsstück als Schottenrock betiteln. Jösch besitzt mehrere Kilts, in denen er sich wohlfühlt. „Schon der Schnitt ist ein anderer als bei Röcken. Ein Kilt ist schwer und soll schwingen, nicht flattern“, erklärt er. „Kilts passen eher in die kühleren Jahreszeiten, für den hiesigen Sommer sind sie viel zu warm, auch das ist ein Unterschied.“ Bis zur Mitte des Knies müsse das karierte Beinkleid reichen, sonst sehe es albern aus. Zum echten Outfit gehören außerdem derbe Wollsocken und der Sporran, ein kleiner Umhängebeutel als Taschenersatz.



Mehr Emanzipation für Männer

 

Carlo Jösch weiß, wovon er spricht: Er ist Maßschneider und offizieller Kilt-Macher. Seine Urkunde ist eine Auszeichnung der schottischen ‚Kilt Maker Association’ und eigentlich Briten vorbehalten. Schon seit seiner Kindheit ist Jösch, geboren in Chile und aufgewachsen in Meerbusch, von Schottland begeistert. Also lernte er lieber Dudelsack statt Gitarre. Er absolvierte eine Schneiderlehre, schloss ein Studium als Bekleidungsgestalter ab und arbeitete für große Modefirmen, bevor er sich 2000 als Maßschneider in Köln selbständig machte. „Für einen Kunden bestellte ich einen Kilt in Schottland. Ich dachte mir, es wäre doch toll, wenn ich den selbst nähen könnte.“ Der passionierte Schneider wälzte Bücher, kam aber nicht weiter, denn das Handwerk ist sehr speziell. Kurzerhand bewarb er sich in Schottland und fand mit etwas Glück einen Kilt-Maker in den Highlands, der ihn ausbildete. Seinen Abschluss erhielt Jösch mit Auszeichnung.

 

Heute trägt er den Kilt aus Überzeugung und möchte mehr Männer dazu ermutigen. „Schade, dass es vielen so komisch vorkommt. Ich weiß nicht, warum. Es sieht männlich aus, ist bequem und man kann sich frei bewegen“, sagt er und ergänzt mit verschmitztem Grinsen: „Nur beim Hinsetzen muss man etwas aufpassen, und natürlich sollte man nicht die Beine übereinanderschlagen. Das sieht dann doch damenhaft aus.“ Jösch räumt auch mit einem weiteren Klischee auf: Seine Kundschaft komme eigentlich nicht aus der schwulen Szene. Hauptsächlich bestellen Schottlandliebhaber, Dudelsackspieler oder junge Männer, die sich modisch abheben wollen, den karierten Rock. Auch die Band Brings zählt zu Jöschs Kunden. „Stefan fuhr mit dem Rad vorbei, sah mein Schaufenster und kam herein. So kam es zu den bekannten Bühnenkostümen in Rot und Blau.“ Dabei war Qualitätsarbeit gefragt: „Seinen Kilt hat Stefan schon über 900 Mal getragen, eine Extrembelastung. Er ist immer noch gut, nur die Falten mussten aufgefrischt werden.“

 

Positive Erfahrungen

 

Seinen ersten Kilt schneiderte Jösch für sich selbst. „Anfangs kostete es Überwindung, damit auf die Straße zu gehen. Eigentlich bin ich keiner, der auffallen will. Und wenn, dann nur positiv. Aber ich dachte, mit 70 wirst du sowas nicht mehr tragen können. Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Der Mut wurde belohnt. Seine Kombination von T-Shirt oder Pulli mit Kilt findet bei Männern wie Frauen immer guten Anklang. Nur einmal war es ihm peinlich, den Schottenrock zu tragen: Als er in Paris über einem Metro-Luftschacht dem Marilyn Monroe Effekt zum Opfer fiel. „Da hatte ich den Kilt ganz neu. Das ist mir nie wieder passiert. Generell ist der Wollstoff zu schwer, als dass er einfach hochfliegt.“ Zu der klassischen Frage, was Mann denn darunter trägt, ist seine Meinung: „Das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Ich breche mit der Tradition. Nur weil man damals keine Hosen kannte, muss man das heute nicht nachmachen.“

 

Seit 2005 hat Jösch etwa 30 Kilts genäht. Für einen benötigt er siebeneinhalb Meter Wollstoff am Stück. „Der Kilt ist eigentlich eine Art Wickelrock, der an der Seite von Lederriemen zusammengehalten wird“, erklärt der Schneider. Während die Tartans (Karomuster) früher die Clan- oder Regionszugehörigkeit angaben, sind sie heute modisch geprägt. Das Besondere am Kilt ist seine Rückenpartie, die Jösch in Millimeterarbeit präzise fältelt. Bis zu 29 Falten legt er so, dass er den Verlauf des speziellen Karomusters nicht unterbricht. Dabei steht die Nähmaschine still, denn jeder Stich – auch das Anbringen der Lederschnalle – ist Handarbeit. „Das ist Meditation für mich. Vier Tage dauert es, bis ein Kilt fertig ist, da bin ich Perfektionist. Eine Hose schafft man dagegen in gut zwei Tagen.“ Jösch hat sich ganz der englischen Schneiderkunst verschrieben, wobei Tweed sein erklärter Lieblingsstoff ist. Oberbekleidung wie Mäntel, Anzüge, Jacken oder Kleider fertigt er nur nach Maß, genau wie den Kilt. „Das ist meine Note, alles muss sitzen. Dann muss man einfach bewundernd hingucken, ob man nun Kilt trägt oder nicht.“

 

 

Kontakt:

 

Carlo Jösch, Couturier

Mohrenstr. 12

50670 Köln

 

www.carlo-joesch.de

info@carlo-joesch.de

Tel.: 0221/170 68 21

 

 

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