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Köln ist schon extrem eine Nicht-Modestadt

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Eva Gronbach über Mode und ihre Geburtsstadt Köln – von IRIS THEN – Gerade ist sie aus Paris zurück gekommen, wo sie für einen internationalen Hotelkonzern die Uniformen der Mitarbeiter entwirft. Zwei- bis dreimal im Monat fährt sie in die Stadt der Mode. „Ich habe das Glück, dass ich die Thalys-Uniform gemacht habe und das unglaubliche Thalys-Ticket habe, mit dem ich in jeden Zug steigen kann“

lächelt Eva Gronbach. „Als Frau in Paris herum zu flitzen und Business zu machen, auf einer wirklich hohen Ebene, ist toll!“ Mit ihrer Basis-Kollektion aus gebrauchten Bergmannanzügen – dem Label german jeans – und auch mit dem Label Ich bin ein fan von Dir ist die Deutsche erfolgreich auf internationaler Bühne. Sie hat in Brüssel am „’Institut supérieur des arts visuels La Cambre“ studiert und in Paris bei Modedesignern wie Yohji Yamamoto, John Galliano und Unternehmen wie Hermès gearbeitet. Vor 14 Jahren zog es die Designerin zurück ins Rheinland. „Köln ist meine Geburtsstadt. Ich fand es spannend, nachdem ich zuvor sehr viel unterwegs war, dieses „back to the roots“ und vor allem das, was ich im Ausland gelernt habe, zurück zu bringen.“ 2008 eröffnete Eva Gronbach deshalb in Köln ihren ersten eigenen Store.

Neben dem jungen, frischen Geist, der Forschung, Musik und Kunst, findet sie vor allem die Internationalität der Stadt besonders anziehend. „Ich brauche auch im Alltag, auch für die Kinder, auf allen Ebenen internationalen Input“, meint die 42-Jährige Geschäftsfrau. „Das finde ich sehr inspirierend. Vor allem, wenn man ein Kind hat und nicht so wegkommt.“ Inzwischen ist sie nämlich Mutter einer kleinen Tochter und arbeitet von zu Hause aus. „Ich hatte den Laden noch ein Jahr. Dann hat meine Tochter angefangen zu laufen und dann habe ich gesagt, ich mache ihn schweren Herzens zu.“ Statt 16 Stunden arbeitet die Modedesignerin jetzt „nur noch“ acht Stunden am Tag. Eva Gronbach ist genauso gerne Mutter wie Geschäftsfrau. Erst jüngst gestaltete sie in Kooperation mit KölnTourismus das sogenannte „KölnShirt“, das aus Bio-Baumwolle hergestellt wird. Das Motiv – der Kölner Dom bei Dämmerung, von der Rückseite her photographiert – kam bei der Stadt genauso gut an, wie es sich inzwischen bei den Touristen verkauft.

„Es stört mich der Dreck. Köln ist eine der dreckigsten Städte, die ich kenne.“

Donja_Pitsch_6Bei allem Positiven hat Eva Gronbach jedoch auch Kritik an Köln. „Ich war immer sehr glücklich hier, aber es ist eine ganz klare Sprache in mir, dass ich Dinge nicht mehr akzeptiere. Zum Beispiel lagen am Brüsseler Platz zwei Wochen nach Silvester noch die Knaller herum. Da verstehe ich auch die katholische Kirche nicht. Die hat so einen Einfluss hier. Dass die da nicht dafür sorgt, dass die Stadt sauberer ist. Denen gehört doch die halbe Innenstadt.“ Auch in Hinsicht Mode fühlt sich Eva Gronbach in Köln ein bisschen alleine gelassen. „Köln ist schon extrem eine Nicht-Modestadt. Wir können uns ja mal umgucken, was die Leute hier so anhaben. Ich glaube, ich bin das einzige Sakko hier. Die Kölner sind eigentlich nicht elegant und die müssen sich auch nicht anstrengen. Die sind so charmant und haben so eine andere, enorm liebevolle Qualität, die wirklich mit Stil nicht so viel zu hat, was ja eigentlich genial ist. Aber als Ästhet leide ich auch an der Stelle.“ Dass man Einfluss auf die Mode einer Stadt ausüben könne, bezweifelt sie. „Ich erlebe es an mir: Wenn ich unterwegs in Paris bin, da habe ich komplett andere Sachen an. Wenn ich nach Berlin fahre, habe ich einen anderen Kleidungsstil und auch schon wenn ich nach Düsseldorf fahre. In Köln hast Du eben auch viele Dörfer drum herum, die das Straßenbild prägen.“

Zu der Aussage, dass auch die Bundesrepublik international noch immer als modischer Gartenzwerg gelte, obwohl sie nach Frankreich und Italien der drittgrößte Modeexporteur Europas sei, hat Eva Gronbach ihre eigene Philosophie: „Das nicht vorhandene Modebewusstsein der Deutschen hat auch mit der Vernichtung der jüdischen Kultur, der jüdischen Menschen zu tun, die einfach international im Modebusiness nach wie vor die Besten sind. Das ist in Frankreich so, das ist in England so, das ist in Amerika so – die ganzen mega eleganten Modehäuser sind jüdische Traditionshäuser. Nur bei uns ist das wie so ein dumpfes, entnommenes Organ, wie ein Nichtwissen.“ Die eigene Identität komme jetzt in Deutschland erst wieder und sei ihrer Meinung nach auch immer noch sehr suchend, sagt sie.

„Köln war immer gut zu mir!“

Bei Themen wie diesen kommt Eva Gronbach erst richtig ins Reden. Am liebsten hätte sie eine Professur. „Was mich im Großen und Ganzen fasziniert, ist die Frage: Kann Mode heilen? Ich habe das bei meinem Thema „Schwarz-Rot-Gold“ gemerkt. Mit Mode kann man durch eine totale Oberflächlichkeit in tiefe Themen reingehen.“ Sie möchte gerne forschen. „Ich habe für mich ein Produkt entdeckt, das ich seit drei, vier Jahren megaspannend finde: Aerogele. Das sieht aus wie gefrorener Rauch und ist mega-ästhetisch. Beim Deutschen Luft- und Raumfahrt-Zentrum in Köln arbeitet ein Professor daran, Baumwollfasern mit Aerogelen zu mischen, so dass eine ganz neue Faser entsteht.“ Sowohl das Thema „Identität“ als auch das Thema „Forschung“, findet Eva Gronbach, seien wichtige Themen, die verstärkt an Modestudenten herangetragen werden sollten. „Bei mir geht´s auch um Bewusstsein. Das Erkennen finde ich total spannend. Witzig, nicht wahr? Mode und Erkennen haben ja auf den ersten Blick nichts mit einander zu tun.“

Sie könnte sich auch vorstellen eine Fashion-Show im Fernsehen zu leiten. Aber nicht im Stil von Heidi Klum, sondern als Talkshow, nach dem Motto: „Weg vom Geschäft der Eitelkeiten hin zum Kulturgut.“ Man darf also gespannt sein, wo und in welcher Profession man die Modedesignerin demnächst finden wird. „Köln war immer gut zu mir!“, sagt sie. Doch dass viele ihr Gleichgesinnte aus der Stadt weggegangen sind, bedauert sie auch. „Das frustriert mich, macht mich traurig und zieht an mir. Ich spür´ richtig, wie da so etwas weg fließt, wo nichts nachgekommen ist.“ Jetzt hat sie sich erstmal europaweit für Professuren beworben. Im Frühsommer 2014 wird ein zweites, von ihr designtes Produkt bei Köln Tourismus erscheinen und wenn ihre Tochter in die Schule kommt, wird es auch wieder eine neue Kollektion von Eva Gronbach geben.

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