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Eat the world

3 mins read

Schon mal die Welt gegessen?
Auf kulinarischem Streifzug durch die Kölner Südstadt

VON IRIS THEN

Den Duft der großen weiten Welt kenne ich bereits. Aber wie schmeckt sie – die Welt? Das will ich an diesem Wochenende herausfinden und mache mich deshalb trotz wolkenverhangenem Himmel auf zu einer Stadttour der besonderen Art. Abseits der üblichen Touristenwege geht es mit „eat-the-world“ quer durch den Kölner Süden. Das Unternehmen, das im April 2008 von Elke Freimuth zuerst in Berlin gegründet wurde, veranstaltet seit einem Jahr auch kulinarisch-kulturelle Stadtführungen in Köln. Es will Besuchern und Einheimischen den Weg zu leckerem Essen und kulturellen Einblicken fernab ausgetretener Touristenpfade aufzeigen. Neben Berlin und Köln bietet es auch Touren in Bremen, Dresden, Hamburg, Hannover, Leipzig, München und Münster an.



Die Führungen, so heißt es auf der Homepage, gehen durch touristisch eher unbekanntere Viertel der Städte. Anders als bei anderen kulinarischen Stadtrundgängen oder Tapas-Touren, bei denen meistens komplette Menus in drei bis fünf verschiedenen Restaurants angeboten werden, ist das Motto von „eat-the-world“: „Lern’ die Region über das Essen und die Menschen kennen.“ Wer hat in den Vierteln früher gelebt, wie hat sich die Nachbarschaft entwickelt, was isst man, wo geht man hin, wie lebt man dort?

Neben Hintergrundinformationen zu Geschichte, Architektur und Unterhaltungsangeboten soll mit vielen kleinen, repräsentativen Kostproben das Essen und ausgesuchte Geschäfte vor Ort vorgestellt werden. Vor allem die authentische Vielfalt des jeweiligen Viertels zu repräsentieren, sagen die Veranstalter, liegt ihnen am Herzen. Nicht zuletzt deshalb unterstütze „eat-the-world“ vorrangig kleinere Betriebe mit guter Qualität aus der Gastronomie und Kulinarik.

Die Tour findet bei jedem Wetter statt, lese ich weiter. Also lasse ich mich von dem morgendlichen Grau nicht schrecken. In Regenjacke und bequemen Schuhen, im Rucksack eine Flasche Wasser für den Durst, fahre ich ins Severinsviertel, wo sich die Gruppe an dem zuvor vereinbarten Sammelpunkt trifft.

Fünfzehn Teilnehmer sind es heute. Bis auf ein Schweizer Pärchen kommen die meisten von ihnen aus dem Kölner Raum. Sie wollen die Stadt einmal anders entdecken oder haben einen Gutschein für die Führung geschenkt bekommen. Einer von ihnen feiert mit seiner Familie und engen Freunden seinen Geburtstag auf diese Art.

Jens Beckers, unser heutiger Guide, begrüßt uns herzlich. Seit 1996 lebt der gebürtige Niedersachse in Köln. Ein „Immi“ – wie die Kölner sagen würden. Doch Jens, der hauptberuflich als Journalist arbeitet, kennt allein schon von Berufs wegen viele Ecken der Stadt.
Vor der Elendskirche St. Gregorius klärt er uns auf, dass „elend“ ursprünglich „fremd“ bedeutete, weil es von dem mittelhochdeutschen „ellende“ – aus der Fremde kommend, nicht einheimisch sein – stammt. Auch, dass hier früher die Ungläubigen bestattet wurden und heute die Kirche vor allem für Gottesdienste nationaler Minderheiten benutzt wird, haben die wenigsten von uns gewusst.

Als es dann weitergeht und wir die erste von insgesamt sieben kulinarischen Stationen erreichen, überkommt mich zuerst einmal ein kleiner Schauer. Eis als erste Kostprobe bei diesem kühlen Wetter? Aber meine Gänsehaut legt sich schnell. Flavia und Stefano verbreiten in ihrer kleinen Eisdiele inmitten der Kölner Südstadt nicht nur mailändisch sonnig-fröhliche Stimmung. Sie bieten auch etwas Besonderes: Zitronen-Basilikum- oder Gorgonzola-Eis sind nur zwei von vielen exotischen Sorten, die die beiden kreiert haben. Eine echte Überraschung für den Gaumen. Eine Art Antipasto für die Sinne auf diesem kulinarischen Streifzug. Und kaum habe ich das leckere Eis probiert, klart auch schon der Himmel auf.

Die Kölner Südstadt ist bekannt für ihre südländisch angehauchte Atmosphäre, gepaart mit kölschem Urgestein. Wo einst die Eltern von Wolfgang Niedecken, dem Gründer der Kölschrock-Band BAP einen Lebensmittelladen hatten, erobern heute immer mehr junge Leute mit ihren kleinen Läden und Cafés die Straßen und prägen auch die kulinarische Entwicklung. Neben vielen interessanten Sehenswürdigkeiten des Viertels zeigt uns Jens ein außergewöhnliches Restaurant mit Theaterbetrieb, einen urigen italienischen Delikatessenladen, ein vegetarisches Café und eine Salatbar, die 35 verschiedene Salatkreationen zu bieten hat. Für die, die es herzhafter mögen, gibt es Kostproben vom saftigen Omaschinken bei einer Naturmetzgerei.

Nach knapp drei Stunden klingt unsere kulinarische Südstadt-Tour dann bei einem Stück köstlichen Baiser-Käsekuchen aus. In dem kleinen Café in der Neustadt-Süd, das Nina, eine Halb-Irin betreibt, gibt es neben Life-Auftritten von Bands auch jeden Sonntag ein Public Viewing. Aber nein, kein Fußball – hier trifft man sich, um gemeinsam den neuesten Tatort zu schauen!

Schade, dass die Tour schon zu Ende ist, denke ich, als wir in den 50er-Jahre-Fauteuils des Cafés gemütlich zusammensitzen. Eine der Teilnehmerinnen seufzt: „Für mich könnte es jetzt noch ein paar Stunden so weitergehen.“

Die Welt zu essen hat uns auf den Geschmack gebracht. Zum Glück plant „eat-the-world“ ab Herbst eine zweite kulinarische Führung durch eines der anderen Kölner Stadtviertel anzubieten. Obwohl ich in dieser Stadt schon seit fast zwanzig Jahren lebe, bin ich überrascht, wie viel Neues zu schmecken, zu sehen und zu hören ich heute bekommen habe. Deshalb: Wenn mich jetzt jemand fragen würde, wie die Welt schmeckt, so würde ich ihm antworten, sie schmeckt nach mehr!

eat-the-world
Köln Südstadt-Tour
Kulinarische Stadtführung durch Südstadt und Severinsviertel

Freitag und Samstag, ganzjährig
Preis: 30 Euro pro Ticket, 15 Euro für Kinder bis 12 Jahre
Telefon: +49 (0)30 530 66 165
Infos und Termine unter::

www.eat-the-world.com


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