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history today – Staub aufwirbeln

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Vergangen heißt nicht vergessen – Ahnenforschung ist ein Puzzle bei dem man bis zum Ende nicht weiß, wie viele Teile es besitzt – VON ANIKA PÖHNER – Im Kölner Stadtteil Sülz, befindet sich „history today“, ein Büro für Geschichtsforschung, das Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet. Im Schaufenster liegen Schwarz-Weiß-Fotografien aus alten Tagen und machen Lust auf Geschehenes

Hinter jener Schaufensterscheibe wird unter der Leitung des Historikers Tobias Dahl seit 2008 Geschichte erforscht. Ein fünf- köpfiges Team beleuchtet und konserviert längst Vergessenes. „Bei uns wird ein Stück Historie bewertet, gesichert, und archiviert“, erläutert Dahl. Das Spektrum reicht dabei von Ahnenforschung, Stammbaumerstellung und Transkriptionen über die Verfassung von Chroniken und Digitalisierung nicht mehr gebräuchlicher Film- und Tonträger. Das Büro für Geschichtsforschung, welches sich auf Archivierung spezialisiert hat, ist eines von sechs Unternehmen dieser Art im deutschsprachigen Raum. Die Spezialisten bearbeiten Aufträge u. a. von Kirchengemeinden, Städten, Vereinen und Privatkunden. In Kooperation mit den Alexianer Betrieben hat das Büro eine Werkstatt gegründet, in denen auch Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen beschäftigt sind. Dort werden unter anderem ein Teil der neueren Unterlagen technisch aufgearbeitet, indem die Materialien von schädlichen Stoffen befreit und in säurefreie Mappen umgebettet werden, um Geschichte so auch für die kommenden Generationen zu sichern.

Alte, unlesbare Texte erfahrbar machen

„history-today“ transkribiert unter anderem auch Dokumente, Feldpostbriefe und Tagebücher. „Für uns ist gerade die Transkription eine interessante Arbeit, da man sehr viel Sozialgeschichte erfährt“. Tobias Dahl erinnert sich an Feldpostbriefe aus dem zweiten Weltkrieg, verfasst in altdeutscher Schrift. „Man übersetzt diese Papiere und merkt, wie der Soldat am Anfang recht unbekümmert in den Krieg zieht und die bevorstehenden Aufgaben eher als Spiel betrachtet. Aber wir wissen, dass die Geschichte mit einem tragischen

Tod endet. Durch die Übersetzung der Feldpostbriefe war es auch möglich, zuzuordnen, in welchem Regiment der Soldat gekämpft hat und wo er umgekommen ist“, schaut Dahl in der Zeit zurück. Die Auftraggeber erhalten durch die Transkription eine Möglichkeit, der verwandten Person sehr nahe zu kommen. „Bei den Nachkommen dieses Soldaten sind viele Fragen beantwortet aber auch Emotionen ausgelöst worden“.

Stammbaumforschung – Verästelung des Lebens

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Wer sich bei „history-today“ eine Stammbaumaufstellung anfertigen lassen will, sollte so viele hilfreiche Unterlagen wie möglich mitbringen. Das können beispielsweise Geburtsdaten, Familienbücher oder auch arische Nachweise sein, die viele Deutsche während des zweiten Weltkrieges erbringen mussten. Sobald es einen konkreten Ansatz gibt, kann das Team mit den Nachforschungen beginnen. Die Vorgehensweise ist Folgende: Wenn ein Datum belegt ist, z. B. wann und wo die Person geboren wurde, können Tobias Dahl und sein Fachteam sich an die entsprechenden Stadtarchive oder Kirchengemeinden wenden. Dort erfahren sie dann z. B. die Namen der Erzeuger. Im Trauungsbuch findet man das Hochzeitsdatum und die Namen der jeweiligen Eltern. Mit etwas Glück lässt sich auch etwas über den Beruf der Familienmitglieder in Erfahrung bringen: „Aber das hänge immer davon ab, wie ausführlich die Bücher damals geführt wurden“, erklärt Dahl. So geht es immer weiter in der Zeit zurück, und das Team schaut, wann und wo die Personen ihre Spuren hinterlassen haben. „Die Stammbäume können u. U. bis zum 30-jährigen Krieg, also Mitte des 17. Jahrhunderts, rekonstruiert werden. Die ältesten Vorfahren eines Stammbaums ließen sich bis ins 15. Jahrhundert nachverfolgen. Wenn die Personen damals ein kleines Gehöft als Lehen besaßen, dann wurde dies in Lehensbüchern aufgeführt“, beschreibt der Leiter des Geschichtsbüros. Adelige Linien könne man noch weiter in der Geschichte zurückverfolgen, da diese gut erforscht seien. Es kommen oft familiäre Verbindungen zu tage, mit denen der Kunde nicht gerechnet hat. So konnte „history-today“ in einem Fall eine verwandtschaftliche Verbindung zu der jüdischen Familie Rothschild nachweisen, welche im 19. Jahrhundert zu den einflussreichsten Bankiers Europas gehörte. Diese Verwandtschaft war dem Kunden nicht geläufig, da seine Vorfahren sowohl den Namen als auch die Konfession geändert hatten.
Eine kleine Stammbaumaufstellung, bei der auf 5 Generationen zurückgeschaut wird, kostet bei „history-today“ ca. 200,00-300,00 Euro oder, je nach Aufwand, mehr.

Tagebücher sind oft so spannend wie gute Krimis oder Romane

staub3„Auch bei den Transkriptionen können Fakten und Zusammenhänge zu Tage kommen, mit denen der Auftraggeber anfangs nicht gerechnet hat“. Dahl erinnert sich an einen Kunden, der Tagebücher seines Großonkels in das Büro brachte. Es waren Aufzeichnungen aus den Jahren zwischen 1896 und 1943. Während der Recherche stellte sich heraus, dass der Großonkel vor dem ersten Weltkrieg ein Familientreffen organisiert hatte. In seinen Aufzeichnungen wurden nicht nur alle anwesenden Personen namentlich aufgeführt, sondern er verschriftlichte auch persönliche Informationen zu jedem Verwandten. Dieser Fund machte es möglich, sehr viel über die Vorfahren der Familie in Erfahrung zu bringen und bis dato unbekannten Personen auf alten Fotografien einen Namen zu geben. „Ahnenforschung ist ein Puzzle bei dem man bis zum Ende nicht weiß, wie viele Teile es besitzt“, weiß Tobias Dahl, der sein berufliches Leben der Historie verschrieben hat.

Kontakt:
history-today
Büro für Geschichtsforschung
Luxemburger Str. 261 – 50939 Köln
Tel: 02 21 4234 442
www.history-today.com

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