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Yoga und Ernährung

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Tiefenspannung und Fast-Food?

Yoga gilt für das hier und jetzt, für die Verbindung von Körper und Geist. Alles ist im Wandel, besonders unsere Ernährung. Welche verbesserten Erfahrungen gibt es im Entspannungsbereich? Wir sprachen mit Oliver Groß, Dipl. Sportwissenschaftler, Dozent für Yoga und Kampfkunst an der Universität Bielefeld, Inhaber bei WT & YOGA.

Seconds: Sie bieten in Ihrem Institut spezielle Yogaformen an, darunter auch Kurse, die sich mit Ernährung auseinander setzen. Was ist Kern der Lehre? Warum ist Ihnen die Kombination der beiden Aspekte Yoga und Ernährung wichtig?

Groß: Ich biete eigentlich nur „ein Yoga“ an und das basiert natürlich auf meiner gesamten Bewegungs- und Körpererfahrung. Ernährung ist in meinem Yoga und auch für viele andere Lehrer von großer Bedeutung weil sie einen großen Einfluss auf meine Körperlichkeit hat. Meist orientiert sich die Ernährung vegetarisch und an der Lehre des Ayurveda. Ich orientiere mich aus geschmacklichen, gesundheitlichen und aus ethischen Gründen in Richtung veganer Ernährung, bin dabei aber nicht radikal und leider ist das Angebot an echten kulinarischen Leckerbissen immer noch sehr schmal. Die Aufforderung zu Langsamkeit im Sinne der SlowFood Bewegung und zu genussvollem Essen sind ebenso wichtige Aspekte in einer gesunden Ernährung. Ein toller Trend sind beispielsweise Grüne Smoothies, das ist wirklich lebendige Nahrung und gleichzeitig Genuss für mich. Die oft sehr lange gekochte und breiartige chinesische und indische Gesundheitsküche kann aber bei verschiedenen Krankheitsbildern sehr heilsam sein.

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Seconds: Beim Thema Ernährung erreichen die Deutschen scheinbar eine neue Stufe der Sensibilität für die emotionale Seite des Themas. Glauben Sie, dass die Menschen dennoch weiter versuchen werden, vor allem intellektuelle Lösungen zu finden oder sehen Sie in diesem Zusammenhang Fortschritte?

Groß: Eine bewusste (Bio-) Ernährung liegt genauso im Trend wie Yoga. Beides ist ja weniger auf Zahlen oder Leistung ausgelegt, sondern von vielen weichen Faktoren abhängig. Vom Wunsch nach mehr Naturverbundenheit, über Gesundheit oder Tierliebe, bis zum Thema Genuss spielt hier vieles eine Rolle. Für beide Felder ist die Sensibilität stark gestiegen. Bioläden sprießen momentan an allen Ecken aus dem Boden, es erscheinen immer mehr vegetarische und vegane Kochbücher, in Speisekarten findet man deutliche Hinweise auf vegetarische Gerichte u.s.w. Zurück zu Ihrer Frage: ja es ist ein Fortschritt zu sehen. Intellektuell lässt sich manches Problem erforschen und erkennen. U.a. auch, dass gerade bei emotionalen Problemen Yoga wirklich hilft, dies jedoch mit weitgehend ausgeschaltetem Intellekt. Das anerkennt heute auch die Schulmedizin. Davon abgesehen, sind natürlich nicht alle Übungen des Yoga problemlos anzuwenden – bei unvorsichtiger Übung kann es sogar zu schwereren Problemen kommen.

Seconds: Vinyasa, Iyengar, Sivananda, Flow oder Anusara-Yoga: Weshalb gibt es diese schier unendliche Anzahl von Yogastilen? Welche lehren Sie und warum?

Groß: Ich habe mich schon vor sehr vielen Jahren dagegen entschieden, einem bestimmten Guru zu folgen. Daher hat sich für mich der Begriff Yoga Flow gut angefühlt. Dabei habe ich großen Respekt vor Gurus wie B. K. S. Iyengar, oder auch jüngeren Lehrern, die das Yoga zu einer ernst zu nehmenden Körperkunst entwickelt haben. Es ist eine persönliche Entscheidung, ob man eher einer bestimmten Linie und festgelegten Traditionen folgen möchte, oder ob man individuell weiter forscht und auch weitere Einflüsse zulassen möchte.
Da ich neben dem Yoga auch Bewegungskünste wie Feldenkrais, Body-Mind Centering, Zeitgenössischen Tanz und Tango Argentino sehr spannend finde, überwiegt bei mir vielleicht der Aspekt der
eigenständigen Suche nach der „richtigen Bewegung“.

Seconds: Auffallend viele der modernen Stile haben sich in den USA entwickelt – beruhen auch diese noch auf einer gemeinsamen Yogatradition? Und wie finde ich für mich den passenden Yogastil?

Groß: An dieser Stelle muss man sagen, dass die USA viele großartige Entwicklungen angestoßen haben. Leider überdecken negativen Themen wie die NSA Affäre, Immobilienspekulationen oder die Gen-Food Debatte diese positiven Impulse. Die heutige Verbreitung des Yoga hängt sicher mit vielen dieser positiven Entwicklungen vor allem in Kunst und Musik der 50/60er Jahre zusammen, wichtig war die Hippie Bewegung oder der psychodelische Rock. Heute sind die Aspekte der Innerlichkeit im Esoterischen Sinne im Allgemeinen eher in den Hintergrund getreten. Stattdessen liegt die Betonung auf den Bekannten Yoga-Positionen und der bewusst geführten Atmung. Dennoch klingt das Innerliche noch heute in allen Yoga Schulen fühlbar in den Bewegungen mit. Dinge wie Aufmerksamkeit und Achtsamkeit spielen im Yoga eine bedeutende Rolle. Für mich ist die Tradition ausreichend sichtbar.
Seconds: Yoga im „Hier und Jetzt“ ist sicherlich ein Stichwort. Yoga besinnt sich auf das, was wir Menschen jetzt im Augenblick brauchen. Wie integriere ich Yoga in mein Leben, ganzheitlich, je nach Bedarf?

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Groß: Je getriebener wir im Alltag sind, durch Beruf, gesellschaftliche Veränderungen oder dem laufenden Stream an Neuigkeiten und Nachrichten, an dem wir hängen, umso mehr wird der Augenblick zu einem winzigen Moment zwischen dem schon vergangenen, dem letzten Posting und unserem nächsten Ziel und der nächsten Aufgabe, auf die wir in der Zukunft zustreben. Da fällt es vielen selbst im Yoga extrem schwer den Moment zu spüren. Anstatt um die ruhige Selbstwahrnehmung geht es um die pure Dehnung, die Gesunderhaltung des Körpers oder um die Gewichtsreduktion. Den Moment erlebt man aber nur, wenn man vorübergehend die Vergangenheit Vergangenheit sein lässt und die Zukunft nicht im Vorfeld konstruiert. Erst dann kann sich der Moment ausdehnen. Zum Glück gibt es ein paar Eigenschaften, die das Yoga auszeichnen und besonders geeignet machen, um im Augenblick aufzugehen. Da ist zum einen die Atmung, auf die wir uns konzentrieren, zum Anderen durchforschen wir in den Übungen jeden Winkel unseres Körpers. Das ist schon ganz anders als beispielsweise einem Ball hinter her zu laufen und ein sportliches Ziel zu verfolgen. Am wenigsten Gelegenheit im Moment aufzugehen, bietet häufig das Berufsleben. Ist hier ein Ziel erreicht, wartet schon das nächste. Wie meistens liegt es am richtigen Maß von beidem. Einerseits sind Vergangenheit und Zukunft von großer Bedeutung für jede Entwicklung – auf der anderen Seite bleibt uns zum
Leben und Genießen nur die Gegenwart, also das, was ich als „gut gedehnten Augenblick“ beschreiben würde.

Seconds: Yoga soll also den Stresslevel senken, wie soll das funktionieren, wenn man so wenig Zeit hat? Der Alltag heutzutage lässt nicht mehr viele Optionen zu, obwohl wir scheinbar unerschöpfliche Möglichkeiten haben. Die ganze Zeit denkt man: „ich verpass vielleicht irgendetwas“. Ist das nicht genau das Gegenteil von Yoga?

yoga_002Gross: In der Angst etwas zu verpassen liegt schon der Blick in die Zukunft. Der kann eine starke Ablenkung mit sich bringen und oft verhindert er damit, dass wir uns mit einem Thema wirklich intensiv und genussvoll auseinander setzen. Nur in solchen Momenten kommt man aber zu wirklich spannenden Ergebnissen – und die sucht auch jedes innovative Unternehmen. Es lohnt sich also auch für Stressgeplagte, für Manager und Unternehmer, für alle Getriebenen, Yoga regelmäßig zu betreiben.
Seconds: Und wie kann man da noch die Ernährung integrieren, wenn mir das alles sehr aufwendig erscheint? Bioladen suchen. Vergleichen, was gesund ist und was nicht. Fleisch weglassen, können sich viele gar nicht vorstellen.

Gross: Mit der Übung steigt das Körperbewusstsein und die Lust auf Fast-Food sinkt automatisch. Ein Prozess, der unerwartet einfach ist. Es macht einfach Spaß, sich vorzustellen wie der Apfel oder das frische Gemüse in meinem „Yogi-Körper“ ein Teil von mir selbst wird. Das funktioniert mit einem Billig-Burger einfach nicht.

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Seconds: Wie kann man besonders Männern, die Vorurteile gegenüber gesundem Essen haben, Lust auf „YOGA-Gerichte“ machen?

Groß: Zuerst sollten die Gerichte auch wirklich lecker sein und Lust machen. Die vegetarische und vegane Küche fängt ja gerade erst an, sich in Deutschland zu entwickeln. Es muss sich auch in der Ausbildung von Köchen etwas ändern. Da steht ja immer noch der Chef oder die Chefin an der Bratpfanne und brät das Steak, der zweite Mann oder die zweite Frau kümmert sich um die Kohlenhydrate und die dritte Position darf den Salat anrichten. Das entspricht überhaupt nicht den Ansprüchen einer modernen Küche. Zum Glück hat heute kaum noch ein intelligenter Mann Lust auf Fleisch aus Massentierhaltung. Das ist schon ein guter Start. Das Bewusstsein wächst – auch bei Männern.

Seconds: Was sind die größten Vorurteile gegenüber Menschen, die sich mit Yoga auseinandersetzen? Yoga und Business- ist das ein Widerspruch in sich?
Groß: Da es heute und auch in Köln eigentlich für jeden das passende Yoga gibt, sind die Vorurteile aus meiner Erfahrung extrem gering. Yoga ist gesellschaftlich akzeptiert. Gerade gebildete Menschen und die oberen Einkommensschichten betreiben Yoga und sehen es als eine Chance ein intensiveres und gesünderes Leben zu führen. In diesem Sinne sind Yoga und Business längst keine Gegenpole mehr. Ich kann mir trotz hoher beruflicher Belastung nicht vorstellen auf Yoga zu verzichten. Man bekommt jede eingesetzte Minute auf anderer Ebene zurück. Für den Start als Yogi und die Gewöhnung sollte man mindestens drei Monate lang mindestens ein Mal pro Woche trainieren. Probestunden sind an jedem Montag um 19.00 Uhr möglich.
Das Interview führte Andreas Bastian

Tel. +49 (0)170 2767326

Institut für Bewegungskultur
WT & YOGA
Leichweg 1
50968 Köln

info@wt-yoga.de

Yoga:
Montag-Donnerstag: 19-20 Uhr
Samstag: 12-13 Uhr

WT:
Montag-Donnerstag: 20-21 Uhr
Samstag: 11-12 Uhr

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