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Piet Klocke – Neues von Piet auf Erden

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Über sieben Köpfe musst du gehen

Keiner kennt die ideale Definition von Freiheit. Jeder bastelt sich seine persönliche Version. Es sind immer nur minimale Teilbereiche, die das Leben zu vermeintlicher Freiheitserfahrung herausgibt. Ich bin gelernter klassischer Gitarrist und mache Musiktheater in der Tradition der „Fools“
Interview mit Pete Klocke

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Seconds: Du hast ja in Amsterdam angefangen, Musik zu machen, dann Theater.
Was war der Ursprung der ganzen Sache? Wir haben ein bisschen Wikipedia geguckt und …
Piet: Wenn’s im Internet steht, muss es ja stimmen!

Seconds: Dafür ist Wikipedia doch da.
Piet: Absolut! Nun, Ich bin in Berlin geboren und wohne auch dort, weil schließlich alle Künstler da wohnen, in Mitte oder Neukölln. Nur in Berlin schafft man’s, kommt ins Fernsehen oder in die Liste der 500 deutschen Intellektuellen! Auszeichnungen und Preise bekommt man allerdings eher anderswo. Und das auch nur, wenn man jemanden kennt, der wiederum den kennt, der Preise und Auszeichnungen vergibt. Ich ziehe deshalb schon bald wieder um. Mein Makler stellt grad den Kontakt zu Wikipedia her. Das wird aktualisiert, dann stimmt’s wieder.

Seconds: Du machst kein politisches Kabarett.
Piet: Nein, ich nenne mich auch nicht neudeutsch-hip „Comedian“, sondern „Komödiant“, da bin ich sehr gern altmodisch. Ich bin gelernter klassischer Gitarrist und mache Musiktheater in der Tradition der „Fools“. Die letzten „Ausläufer“ der Hippiebewegung. Ich lernte in meiner dreijährigen Zeit in Amsterdam das „Hauser Orkater“ kennen und wusste sofort, dass diese Kunstform die meine war. Zurück in Deutschland gründete ich das „Kamikaze Orkester“, mit „k“ als Verbeugung vor den Hausers. Lange Zeit und viele Musiker (75 um genau zu sein, einer von ihnen der Vater Jan Delays) und Schauspieler hat es gebraucht, bis die perfekte Form dieses Unternehmens sich als Duo, mit der wunderbaren, genialen Jazz-Saxofonistin Simone Sonnenschein, herauskristallisiert hatte. Hätte ich zu Anfang nicht so immens viel Zeit und Gelegenheit gehabt auszuprobieren, wer weiß, ob ich’s jemals geschafft hätte?



Seconds: Kann man heute noch sowas machen?
Piet: Man kann immer alles machen! Nur Angst darf man nicht haben oder sich für Arbeit zu schade sein. Die Dinge kommen nicht von selbst angeflogen. Was rede ich, das weiß ja wohl jeder.

Seconds: Dein Programm „Hiphop für Angestellte“, in dem du dich ja selbst vertrittst, hast du über sieben Tage und sieben Köpfe hinweg zur absoluten Perfektion gebracht.
Piet: Genau! Wie sang Catharina Leandros so schön: „Über sieben Köpfe musst du gehen.“

Seconds: Wie hast du deine Begabung für frei-assoziative Sprachakrobatik entdeckt? Was war wesentlich?
Piet: Ich bin in einem neusprachlichen Gymnasium geschult geworden, ich liebe die deutsche Sprache. Und durch Latein habe ich das Phänomen der Satzverschachtelung kennengelernt. Auf der Bühne lässt mein Gehirn es assoziativ so richtig krachen. Wenn ich also im Satz scheinbar nicht weiterkomme, ist dafür die Entscheidungsfindung verantwortlich. Welche der sich anbietenden Wege, einen Gedanken weiterzuspinnen, nehme ich? Das muss in Millisekunden entschieden werden und kann deshalb auch schnittig danebengehen, ha! In der Kunst muss man bekanntlich Filter weglassen, entfernen, ausschalten, um frei zu denken. Auf der Fahrt zum Mond bereit sein, von der schnurgeraden Luftlinie abzukommen und vorher womöglich noch Saturn und Pluto zu besuchen. Sich Möglichkeiten geben. Und zwar möglichst alle (lacht und verschluckt sich).

Man kann immer alles machen!
Nur Angst darf man nicht haben oder sich für Arbeit zu schade sein.

auswahl6Seconds: Die Menschen sind ja weniger damit beschäftigt zu leben, als vielmehr zu verhindern …, durch das ganze Reglement, was sie sich auferlegen.

Piet: Das mag sein. Es gibt trotzdem für niemanden Grund, arrogant zu sein. Keiner kennt die ideale Definition von Freiheit. Jeder bastelt sich seine persönliche Version. Es sind immer nur minimale Teilbereiche, die das Leben zu vermeintlicher Freiheitserfahrung herausgibt. Ich zitiere mal aus meinem Buch: „Da sitzt man eines abends auf der Couch, lehnt sich, mit im Nacken verschränkten Armen, genüsslich entspannt nach hinten, schlägt weltmännisch die Beine übereinander und denkt, man hätte es endlich, Gott sei dank, geschafft, im selben Moment klingelt es unten an der Tür, und Du fängst wieder von vorne an!“ So geht Leben, das bringt Bewegung, ahoi, ist noch Bier im Eisschrank?

Seconds: Wie steht’s eigentlich um den Haubentaucher? Du erinnerst dich?

Piet: Aber natürlich! Vom Haubentaucher, seiner Haube und der polizeilichen Gegenüberstellung mit seinen „Opfern“ erzähle ich auch heute noch in meinen Lesungen, die ich neben den Bühnenprogrammen mit Simone Sonnenschein (kein Künstlername!) halte. Mir macht es unbändige, kindliche Freude, die Natur zu beobachten. Tiere sind einfach klasse! Und witzig auch, dass wir Menschen das einzige Tier sind, das sich nicht für eines hält! Köstlich! Schon für diesen Hochmut sollte man uns den „Orden wider den menschlichen Ernst“ verleihen.

Keiner kennt die ideale Definition von Freiheit. Jeder bastelt sich seine persönliche Version. Es sind immer nur minimale Teilbereiche, die das Leben zu vermeintlicher Freiheitserfahrung herausgibt.

Seconds: Ich möchte gerne noch was Konkretes zum neuen Programm fragen. Hat es schon einen Namen?
Piet: Der Arbeitstitel lautet: „SMS to LAGERFELD“. Wir verhandeln grad mit dem Meister um die Erlaubnis, uns mit seinem Namen zu schmücken.

Seconds: Zum Abschluss: Ihr spielt ja im Oktober in Köln in der Comedia …
Piet: Obwohl die Akustik dort für unsere meist funkig-groovige Musik nicht unbedingt der Hammer ist, wir lieben die Atmosphäre, die Chefin und ihre Mannschaft. Die Kölner Zuschauer sowieso. Da brauche ich hier nicht zu schleimen, es macht einfach tierisch, aber auch menschlichen Spaß!

Seconds: Piet Klocke, wir bedanken uns ganz herzlich für das Gespräch und die neuesten Einsichten vom Mann im Mond!

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