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Peter Gaymann: „Ich hatte in Köln nie das Gefühl, nicht gewollt zu sein“

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Von Michaele Gartz – Peter Gaymann, 1950 in Freiburg im Breisgau geboren, ist einer der beliebtesten und erfolgreichsten Cartoonisten Deutschlands. Regelmäßig erscheinen seine Zeichnungen in Zeitschriften wie in BRIGITTE: „Die Paar Probleme“. Gaymann lebt und arbeitet seit 1991 in Köln.

Herr Gaymann, Sie sind in Freiburg geboren, haben in Rom gelebt und sind nun in Köln. Wie kam es dazu, dass Sie Köln als Lebensort ausgewählt haben?

Während der fünf Jahre, die ich in Rom gelebt habe, musste ich für Pressetermine und die Vermarktung meiner Zeichnungen immer wieder nach Deutschland reisen. Und in Köln war der Postkartenverlag ansässig, der meine Postkarten vertrieb. Ende der 80er Jahre war ich mit Janosch zusammen der erste Cartoonist, dessen Cartoons auf Postkarten gedruckt wurden. Ich hatte zu Köln deshalb bereits einen Bezug.

Und so fiel Ihre Wahl auf Köln?

Als 1990 dann die Entscheidung anstand, wieder nach Deutschland zurück zu ziehen, überlegte ich zusammen mit meiner damaligen Frau, welche Stadt als Wohn- und Lebensort in Frage käme. An Köln gefiel mir, dass es eine gewisse Lässigkeit hat. Das mochte ich. Es erinnerte mich an Rom. Geht man in andere Städte in Deutschland, hat man überall die gleichen Läden. Das war in Köln anders. Die Leute hier sind nett und ohne Schnörkel. Das ist anders als in München oder Hamburg. Ich hatte in Köln nie das Gefühl, nicht gewollt zu sein. Umgekehrt wäre es sehr viel schwieriger, für einen Kölner in Freiburg Fuß zu fassen. Die Menschen dort sind zurückhaltender und weniger offen Fremden gegenüber.

Sind Sie dann direkt nach Köln-Sülz gezogen?

Ja, wir wohnten auf der Euskirchener Straße. Nach der Trennung von meiner ersten Frau bin ich aber Sülz treu geblieben und innerhalb des Viertels umgezogen. Sülz gefällt mir. Es ist ein durchmischtes Viertel, nicht so bürgerlich, wie andere Stadtteile in Köln. Mit meiner jetzigen Frau lebe ich zwar in Klettenberg. Aber mein Atelier ist seit 17 Jahren in Sülz auf der Zülpicher Straße. Zunächst hatten wir hier noch eine Ateliergemeinschaft. Aber mein Bedarf an Platz wurde immer größer, so dass ich das Atelier nun allein nutze.

Wie sind Sie ausgerechnet auf Hühner gekommen? Störche hätten doch näher gelegen.

Sie spielen auf meine Kindheitsbilder an, auf denen Störche vorkommen. Als Kind wohnten wir mit meinem Großvater im Haus am Stadtrand von Freiburg. Dort hielt er unter anderem Kaninchen und Hühner. Das waren meine ersten Berührungspunkte mit Hühnern. Ich bin mit ihnen groß geworden. Allerdings war das nicht ausschlaggebend dafür, dass ich anfing, Hühner zu zeichnen. Anfang der 80er Jahre habe ich für die Badische Zeitung noch alle möglichen Tiere in meinen Cartoons gezeichnet. Dabei entstanden auch die bekannten Hühnercartoons. Ich habe einfach ausprobiert, was ich machen kann. Gerade bei Hühnern kann man viele Parallelen zu Menschen ziehen wie zum Beispiel die, dass sie in Gemeinschaften leben. Hühner sind magisch. Viele Menschen finden sie faszinierend und erzählen gern Geschichten, in denen Hühner eine Rolle spielen.

Und so sind Sie bei Hühnern geblieben?

Das Ganze hat sich dann verselbständigt, weil die Hühner so gut ankamen. Nachdem ich mein erstes Buch veröffentlicht hatte, erregten die Hühnercartoons dann bundesweit Aufmerksamkeit. Danach wollte ich zwar was anderes machen, aber das ging nicht. Alle wollten meine Hühner. Das geht übrigens so weit, dass mich Menschen darauf angesprochen haben, dass sie meine Hühnercartoons in der Zeitschrift „Brigitte“ so gut finden. Dabei heißt meine Cartoonreihe dort doch „Die Paar Probleme“.

Dass Sie ein Kochbuch veröffentlichen, liegt nahe. Aber warum wollen Sie Kunst anziehen?

Ganz neu war die Idee ja nicht. Ich habe ja bereits vor einigen Jahren das Buch „Kunst mit Hühneraugen“ herausgegeben. Ich habe meine Hühner einfach in bekannte Bilder eingebaut und dem Ganzen so eine neue Deutung gegeben. Ich liebe das kreative Spiel. Ich probiere gern Nebenschienen aus. Nächstes Jahr ist anlässlich meines 65. Geburtstags in Freiburg eine Ausstellung geplant. Dort werde ich mich über das Huhn hinaus präsentieren. Wir planen unter anderem einen Museumsshop, der reiner Fake ist. Außerdem werde ich mein Atelier dort komplett aufbauen. Ich bin für vieles offen, wenn auch die humoristische Arbeit mein Schwerpunkt ist.

Hatten Sie keine Skrupel, ein Thema wie Demenz humoristisch anzugehen?

Momentan hat das Thema Demenz die meiste Resonanz. Ich erhalte beinahe jede Woche Anfragen nach Ausstellungen. Die Menschen sind dankbar. Bei Demenz, wie auch bei anderen Erkrankungen, können ungewollt witzige Situationen entstehen. Humor hilft, das ernste Thema zu entkrampfen. Die Idee war übrigens von einem Gerontologen, der mich fragte, ob ich zu diesem Thema nicht einen Kalender entwerfen könnte. Natürlich war mir mulmig zumute. Aber mir ging es ja nicht darum, Demenzkranke lächerlich zu machen oder ihnen die Würde zu nehmen.

Haben Sie ein Schwarzbuch mit Zeichnungen, die Sie nicht der Öffentlichkeit zugänglich machen?

Nein, die gibt es nicht. Jeder kann meine Zeichnungen sehen. Ich arbeite nicht für die Schublade, gerade weil ich so viele Termine einhalten muss. Es ist aber schon vorgekommen, dass ich Zeichnungen weggeschmissen habe.

Können Sie Huhn und Schwein noch essen, nachdem Sie in Ihren Cartoons nahezu menschliche Wesen sind?

Ich bin bei meiner Arbeit noch nicht zum Vegetarier geworden. Die Tiere in meinen Cartoons sind viel zu stark vermenschlicht, als dass ich beim Essen an sie denken würde.

Herr Gaymann, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Peter Gaymann hat im Frühjahr 2014 zusammen mit der Sterneköchin Lea Linster das Kochbuch „Das Gelbe vom Ei“ herausgebracht sowie das Werk „Kunst anziehen“,
in dem er quer durch die Kunstgeschichte berühmte Akte „einkleidet“.

Das Gelbe vom Ei, ars vivendi verlag, ISBN-10: 3869134267

Kunst anziehen – Der Akt verpackt, Belser Verlag, ISBN 3763026673

das gelbe vom ei

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