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Diasterben – Analogtechnik in Gefahr

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VON ANDREAS BASTIAN – Hat die Digitalfotografie Vorteile gegenüber der analogen Technik? Wer heute Filme für seine Analog-Kamera sucht, wird in den normalen Geschäften keine Bevorratung mehr finden. Es bleibt der Weg zum Fachhändler. Die Filmauswahl ist begrenzt.

Die Nachteile der Digitalfotografie

Was benötigen wir für ein gutes Foto? Eines, dass auf 24 × 30 Zentimeter vergrößert an der Wand hängen kann. Früher einmal ging das so: Ein Blick konzentriert durch den Sucher, eine passende Blende oder Verschlusszeit, warten auf den richtigen Moment und drücken auf den Auslöser. Ambitionierte Fotografen warteten bei Landschafts- oder Architekturaufnahmen manchmal sogar auf eine bestimmte Tageszeit oder ein bestimmtes Licht, stellten für größtmögliche Tiefenschärfe Blende 16 ein und drückten dann den Auslöser.
Heute, im Digicam-Zeitalter, läuft das etwas anders. Wir sehen etwas Nettes, halten die Kamera auf Armlänge vors Gesicht und knipsen drauflos. Wer sich ein wenig mit seiner Digicam beschäftigt hat,
wählt vielleicht sogar ein passendes Motivprogramm. Es gibt eine Menge Motivprogramme für so ziemlich jeden Anlass: Tiere, Sport, Kinder, Schnee, Porträt oder Landschaft. Auch für Feuerwerk und Aquarium halten die Digicams vorgefertigte Einstellungen bereit. Macht das schon ein gutes Foto?



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Es folgt die harte Arbeit am PC

Wer mehr aus seinem Knipsmaterial machen will, startet die Bildbearbeitung. Beim Shooting hat man in der Regel nur das optische Rohmaterial produziert, aber selten tolle Fotos. Der Schwerpunkt der Fotografie, die eigentliche Bildgestaltung, hat sich zum PC hin verschoben. Inzwischen gibt es einfache Software-Tools, mit denen man in Nullkommanix Bilder aufhübschen kann. Ein Klick hellt Schatten auf, ein anderer Klick verschiebt den Fokus oder verändert die Tiefenschärfe. Schnelle Apps wie Instagram oder Photoshop Touch erlauben selbst auf Tablet-PCs für Android oder Apple iOS die fixe Anwendung von Effekten. Hinzu kommen die großen Programmsuiten wie Corel Paintshop oder Adobe Photoshop. Sie bieten eine schier unübersehbare Zahl von Möglichkeiten, jedes Bild Pixel für Pixel zu bearbeiten. So entstehen dann richtig schöne Fotos. Trotzdem gibt es noch Unterschiede zwischen hochwertigen Analog- und hochwertigen Digitalfotos.

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Die Nachteile der Bildbearbeitung

Ein Nachteil der Digitalfotografie sind beispielsweise die Unmengen an Fotos, die man produziert. Früher ist der Hobbyfotograf mit 80 oder 150 Fotos aus dem Urlaub zurückgekehrt. Heute kehrt er mit 1.000 oder 2.000 Fotos zurück. Da heißt es dann im ersten Schritt, die 50 oder 100 gelungenen auszusuchen. Das kostet Zeit. Zeit kostet auch die digitale Nachbearbeitung am Computer. Wer den Ehrgeiz hat, einen gelungenen Schnappschuss am PC zu optimieren, dabei Bildausschnitte zu wählen, die Tiefenschärfe zu verändern, Schatten aufzuhellen und Farben zu korrigieren, der muss schon eine Menge Zeit investieren. Eine anspruchsvolle Bildkomposition benötigt schon mal ein paar Stunden am PC. Etwas überspitzt gesagt: Früher brauchte man für ein gutes Bild nur eine Hundertstelsekunde.

Digitalfotos sind keine ZeitdokumenteDia1

Ein weiterer Nachteil der Digitalfotografie besteht darin, dass das Foto seinen Wert als Zeitdokument verliert. Gerade im Bereich der Schnappschüsse, der Reportagefotos oder auch bei Porträts.
Ein Beispiel: Jemand fotografiert seine Freundin, die gerade erschöpft aber glücklich ihre Doktorarbeit fertig geschrieben hat. In der Bildbearbeitung spendiert man ihrer blassen Haut eine kleine Tönung und schminkt drei Pickel weg. Die Korrekturen verfälschen die Wirklichkeit. Das Gesicht sieht zwar besser aus, aber das Bild verschweigt, dass der abgelichtete Mensch in dem Moment erschöpft war, weil er monatelang in der Bibliothek gesessen hat. Ein Foto mit blassem Gesicht dagegen ist sicher nicht ganz so schick, aber es erzählt eine wahre Geschichte und ist deshalb interessanter.

So entstehen zwei Wirklichkeiten, die immer weiter auseinanderklaffen. Einerseits die analoge Wirklichkeit, die ihre Schönheitsfehler hat. Andererseits die verpixelte Welt, die wir nach unserer Vorstellung retuschieren, manipulieren und schön machen. Digital aufgebesserte Fotos erzählen keine Geschichten mehr.

Gibt es noch Schnappschüsse?

Wer sich in Fotozeitschriften die schönsten Bilder aus Fotowettbewerben ansieht, dem wird auffallen, dass viele davon keine Schnappschüsse mehr sind, sondern aufwendige Bildkompositionen, Stillleben oder Montagen. Allesamt Produkte der Bildbearbeitung am PC.

Das hat Gründe: Gute Schnappschüsse aus dem wirklichen Leben entstehen nämlich durch eine Fähigkeit, die nichts mit Beherrschung von Software-Funktionen zu tun hat. Diese Fähigkeit besteht darin, in einer bewegten Szene den richtigen Moment einzufangen. Gute Schnappschüsse entstehen, weil der Fotograf das Gespür für die richtige Perspektive hat, blitzschnell Bildausschnitt und Belichtung wählt und dann im richtigen Moment auf den Auslöser drückt. Das hat natürlich auch etwas mit der Bauweise der Digicams zu tun. Der Sucher der klassischen Kamera zwingt zur Konzentration auf das Motiv, das Display der Digicam eher nicht. Das Gespür für den richtigen Moment und Bildausschnitt ist eine einzigartige Fähigkeit, die viele gute Fotografen auszeichnet. Keine Bildbearbeitung am PC wird sie jemals ersetzen können.

Analog for ever?

Weit gefehlt – um gut zu fotografieren bedarf es nach wie vor einer fundierten Fotoausbildung. Analog bedeutet einen tieferen Bezug zur Sache gewinnen zu können, um ein befriedigendes Ergebnis zu erhalten. Es sind Momente, Stunden oder Tage, die man sich damit auseinandersetzen kann. Ein wesentlicher Nachteil der analogen Fotografie ist das Archivieren.

Es ist nicht nur umfangreicher als ein digitales Archiv sondern auch die Witterung spielt eine Rolle. Bilder und Negative müssen richtig gelagert werden, damit sie der Nachwelt erhalten bleiben. Belichtete Farb-Analogfilme halten definitiv nicht ewig. Manche sprechen gar von einem DIA-Sterben.

Es hat sich gezeigt, dass bei Dias, die über 50 Jahre alt sind, ein Produkt in punkto Langzeitstabilität ganz vorn liegt: der Kodachrome-Diafilm in allen seinen Varianten. Das hängt vor allem damit zusammen, dass das Kodachrome-Verfahren sowohl hinsichtlich des Filmaufbaus, als auch des Entwicklungsverfahrens grundlegend von anderen Filmtypen wie z. B. Agfacolor und Ektachrome, abweicht.

Kodachrome-Dias von 1983 scheinen heute, 30 Jahre später, noch so gut wie unverändert zu sein, wogegen die ebenso alten Agfacolor-Dias schon stark ausgeblichen sind. Um aber die Haltbarkeit von entwickelten Farbfilmen – unabhängig vom Filmtyp – zu verbessern und lange Freude an diesen Fotos zu haben, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die schlimmsten Feinde des Verfalls auszuschalten.

Dia2• Man sollte alle entwickelten Farbfilme nicht länger als unbedingt nötig dem Tageslicht aussetzen und sie grundsätzlich im Dunkeln aufbewahren. Das Projektionslicht ist dagegen ungefährlich, sofern man die Dias nicht übermäßig lange projiziert.

• Für die Lagerung der Dias gilt: je höher die Temperatur, umso schneller zerfallen die eingelagerten Farbstoffe. Eine Temperaturerhöhung um 10°C beschleunigt diesen Prozess bereits um das Doppelte.

• Ein weiterer großer Feind unserer Dias ist die Feuchtigkeit, und besonders gefährlich ist die Kombination von Wärme und Feuchtigkeit, denn das ergibt ideale Bedingungen für die Züchtung von Bakterien und Pilzen. Die Farben bleichen aus, und es zeigen sich feine Verästelungen, die kaum zu entfernen sind.

• Eine Rahmung, bei der die Dias zwischen zwei Glasscheiben hermetisch eingeschlossen sind, hat sich inzwischen als äußerst ungünstig erwiesen und gilt als passé. In der Filmunterlage sind Weichmacher eingelagert, und wenn der Film der Wärme ausgesetzt wird – wie bei der Projektion – dann schlägt sich allmählich der Weichmacherdampf in feinen Tröpfchen an den Innenseiten der Deckscheiben nieder und stört durch dunkle Flecken. Auf jeden Fall sollte die Schichtseite, um „frei atmen“ zu können, nicht mit Glas bedeckt sein.

Früher wurden die Kodak-Papprähmchen von vielen Diafreunden belächelt und als Notbehelf abgetan, inzwischen hat sich jedoch gezeigt, dass diese Art der Offenrahmung einen ganz positiven Einfluss auf die Haltbarkeit der Dias hat.
Trotz aller Konservierung ist eine Digitalisierung des Materials unumgänglich. Die SW Negative sind scheinbar weniger von der Alterung betroffen, denn die Negative der Eltern und Großeltern aus den 30er Jahren sind meistens noch ok. Daher sind COLOR Filme besonders betroffen. Es gibt verschiedene Vorteile, weshalb man professionell digitalisieren sollte, das eigenhändige Scannen von Dias (aber auch von Negativen und Fotoabzügen) ist sehr aufwändig, teuer und qualitativ nicht überzeugend.

Ausserdem ist es eine Frage der Haltbarkeit, denn mit der Zeit setzen Licht und Wärme den alten Zelluloidstreifen zu. Zum anderen ist es eine Frage des besseren Überblicks. Herkömmliche Negative schlummern meist in Schuhkartons und sind nur spärlich beschriftet und katalogisiert. Wer seine Negative digitalisieren lässt, kann auch spannende DIA-Abende auf dem Fernseher wiederbeleben…

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